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In Japan bekannter als im Heimatort

aus dem Gäubote vom 23.11.2018

Hildrizhausen: 200. Versteigerung im Auktionshaus Sigalas - Internet ist zur Hauptdomäne geworden

"Zum Ersten, zum Zweiten - niemand? Zum Dritten! Verkauft!" Eine klassische Auktionsszene, die man so aus dem Fernsehen kennt. Und die gar nicht so weit hergeholt ist. Im Gegensatz zu einigen Vorurteilen über diese Branche, mit denen das Hildrizhausener Auktionshaus Sigalas bei seiner 200. Versteigerung aufräumt.

Jennifer Spitzer

In den Räumen des Auktionshauses ist es ganz still. Der Auktionssaal ist vollgestopft mit Menschen, die auf den Stühlen sitzen, oder am Rand stehen. Das Publikum ist gemischt, allerdings haben sich hauptsächlich ältere Personen hier eingefunden. Alle haben Nummernschilder in der Hand. Und Listen, auf denen das Inventar aufgelistet ist. Viele haben bereits die verzeichneten Stücke, die sie erwerben möchten, umkringelt. Und warten nur darauf, bis das Aufgebot zu den kleinen Schätzen endlich an die Reihe kommt. Vorne steht Auktionator Olaf Sigalas und stellt die einzelnen Kostbarkeiten vor. Ein Ring aus Aquamarin. Ein Paar Ohrringe aus Tahiti-Perlen. "Die kosten in Tahiti einiges mehr, und da müssten Sie auch erst mal hinfahren", bewirbt er die Stücke. Neben ihm sitzen zwei Damen, die die Gebote im Internet verfolgen. Denn die Auktion wird live geschaltet; man kann also auch von außerhalb mitbieten. Ist ein Gegenstand verkauft, schlägt Sigalas mit einem kleinen goldenen Hammer auf den Tisch. "Verkauft an die Dame mit der Nummer 23!"

Der Auktionssaal selbst ähnelt einem Museum. Überall hängen Gemälde oder Spiegel. In der Mitte stehen Vitrinen mit Kunstgegenständen, Porzellan oder Schmuck. "Normalerweise sieht es hier nicht so aus", schmunzelt Katharina Sigalas. Gemeinsam mit ihrem Mann hat sie das Auktionshaus gegründet und führt es nun seit über 30 Jahren. "Eigentlich sorge ich immer dafür, dass hier alles schön dekoriert ist. Ich bin der größte Deko-Freak."

Der Sinn und die Leidenschaft für schöne Dinge seien auch der Grund gewesen, ein Auktionshaus zu eröffnen. "Die Liebe zu Schönem und Antikem hat uns damals dazu veranlasst", erklärt Sigalas mit leuchtenden Augen. "Damals" war im Jahr 1984 und in einem viel kleineren Gebäude in Böblingen. Olaf Sigalas war eigentlich von Beruf Kartograf, hatte sich dann aber zum Auktionator umschulen lassen und die staatliche Prüfung abgelegt. Auch Katharina war Quereinsteigerin: Beruflich war sie eigentlich Chemikerin. Das Wissen über die Gegenstände haben sich die Eheleute selbst angeeignet. Und vieles komme auch mit der Erfahrung. "Aber Wissen ist auch unser Erfolg", ist Katharina Sigalas überzeugt. "Ich meine, wenn wir keine Ahnung von dieser Sache haben, wer dann?" Auch in den frühen Jahren hat sich das Ehepaar Sigalas durch Qualität und Wissen ausgezeichnet. "Das Auktionshaus wurde damals schon mit großer Begeisterung aufgenommen", erinnert sich Katharina Sigalas. Schon bald musste sich das Ehepaar nach größeren Räumlichkeiten umsehen und wurde in Hildrizhausen fündig. "Von da an ging es die Erfolgsleiter immer weiter hinauf", ist Katharina Sigalas stolz.

Nun feierte das Auktionshaus seine 200. Versteigerung. Einiges hat sich inzwischen geändert. Inzwischen ist das Internet zur Hauptdomäne für die Auktionatoren geworden. "Das ist ein bisschen schade, weil es viel unpersönlicher ist", findet Sigalas. "Da fehlen einfach die direkten Kontakte mit den Kunden." Aber schließlich müsse man ja mit der Zeit zu gehen versuchen. "Das hat ja auch den Vorteil, dass wir sehr viel international arbeiten können", nickt Sigalas. "Aber es ist seltsam - wir haben so viele Kunden in Japan und hier in Hildrizhausen weiß kaum jemand, dass es uns gibt."

Richtig aufgefallen ist dem Ehepaar diese Tatsache bei den Expertentagen. "Die sind ein neues Konzept nach dem Vorbild von Bares für Rares", erklärt Katharina Sigalas. Bei den Expertentagen können die Leute kostenlos kommen und ihre Erbstücke und Wertgegenstände auf Wert und Zeit schätzen lassen. "Das ist super angekommen und die Leute waren sehr dankbar", freut sich Sigalas. "Da kamen auch die tollsten Geschichten dabei heraus. Wir hatten Schätzungen von 100 bis 25 000 Euro dabei." Viele Leute hätten vorher gar nicht gewusst, dass es so ein Auktionshaus in der Nähe gibt "Die meisten haben ihre Sachen dann auch gleich zur Versteigerung dagelassen", meint die gelernte Chemikerin.

So läuft das nämlich auch normalerweise ab. Wer ein wertvolles Stück zu Hause hat, kann das vorbeibringen, von dem Experten-Ehepaar schätzen lassen und zur Auktion freigeben. "Wenn wir den Gegenstand versteigern, bekommen wir 21 Prozent Provision", erklärt Sigalas. "Bei Nichtverkauf entstehen bei uns für den Kunden keine Kosten." Die meisten Stücke kommen aus Nachlässen oder von Geschäftsauflösungen. Teilweise werden hier auch richtige Schätze vorbeigebracht. "Wir hatten mal ein Gemälde auf 125 Euro angesetzt, das ging dann bis 45 000 hoch", erinnert sich Katharina Sigalas. Auch ein Bild von Chagall sei mal dabei gewesen. "Das ging dann für 100 000 Euro weg." Die Regel sind solche horrenden Preise allerdings nicht. Und das sei auch das größte Vorurteil, das die Leute gegenüber Auktionshäusern haben. Vor allem die jüngere Generation glaube, dass es hier nur teuere antike Gegenstände zu erwerben gebe. "Aber das stimmt nicht, man kann hier sehr gut kaufen, auch modernen Schmuck für wenig Geld", schüttelt Katharina Sigalas energisch den Kopf. "Die Gegenstände gehen hier meist weit unter ihrem Wert vom Tisch." Antiquitäten seien außerdem eine gute Wertanlage. "Diese Sachen hat man eben ewig", ist sich die Kunstliebhaberin sicher. Im späteren Alter würden sich die Leute dann aber auch darüber klarwerden. "Ich sehe das bei meinen eigenen Kindern; jetzt mit 30 wollen sie plötzlich auch solche Sachen haben", schmunzelt Sigalas. Das Geschäft einmal übernehmen möchten die Kinder allerdings nicht. "Die haben ihre eigene Arbeit, mit der sie sehr erfolgreich sind", winkt Katharina Sigalas ab. Schließlich ist die Leitung eines Auktionshauses nichts, was man nebenbei machen kann. Und momentan sei an eine Geschäftsaufgabe auch noch gar nicht zu denken. "Mein Mann ist jetzt 61 - die nächsten fünf Jahre will er das hier auf jeden Fall noch weiterführen." Was danach kommt, zeige die Zeit.